2- Proustaversen
Le Petit Marcel ist ein eingebildeter Kranker, ein neurasthenischer Psychosomatiker, der seine Beschwerden sein ganzes Leben lang übertrieben hat, um mit ihnen zu flirten und so die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen zu fordern.
2- Proustophiles
Aus seinen mondänen Artikeln im Figaro, seinem ersten Buch „Die Freuden und die Tage“ (1896) sowie seinem umfangreichen Briefwechsel destillieren einige seiner Freunde und Bekannte das Bild eines etwas weltfremden Schwächlings, der sich durch das Kokettieren mit seinen zahlreichen Beschwerden ein Ansehen verschafft. Sie nahmen ihn und seinen beklagenswerten Gesundheitszustand schlichtweg nicht ernst.
Darüber hinaus wurde Asthma in Prousts Zeit als Neurasthenie, einer „Nervenschwäche“, angesehen. Unter dem Stichwort „nervös“ kann man in Gustave Flauberts „Wörterbuch der gängigen Ideen2“ lesen: „Wird jedes Mal gesagt, wenn man eine Krankheit nicht versteht; diese Erklärung befriedigt den Zuhörer“.
Schließlich hatte die medizinische Fachwelt damals keine Ahnung von den zugrunde liegenden allergischen Mechanismen, geschweige denn von wirksamen therapeutischen Interventionen für diese manchmal lebensbedrohliche, aber damals sicherlich lähmenden Krankheit.
Die Behandlung seiner Krankheit wurde von seinem Vater, Dr. Adrien Proust, mit den besten Absichten, aber ohne die Kenntnisse der heutigen Medizin, eingeleitet. Marcel Prousts lebenslange Konsultation aller wichtigen Pariser Spitzenärzte schadete ihm eher, nicht zuletzt, weil er alle guten Ratschläge willentlich ignorierte und hartnäckig an seinem eigenen Willen festhielt. Seine Einstellung „Je suis plus docteur que les docteurs3“ befeuerte seine Experimente mit Medikamenten und Drogenkonsum.
Darüber hinaus wirken sich seine Lebensbedingungen katastrophal auf sein Asthma aus: wochenlanges Verweilen in einem staubigen Bett voller Hausstaubmilben in einem schlecht belüfteten Zimmer mit korkverkleideten Wänden, stundenlanges Einatmen dichten Nebels aus brennenden Anti-Asthma-Pulvern, eine merkwürdige Diät, die am Ende seines Lebens in Anorexia übergeht.
Kurzum: Marcel Proust war sehr viel kränker, als er und sein Umfeld dachten.
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